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Für Hausfrauen wird es ungemütlich

Das Bundesgericht hat mit einem Urteil von Ende März einen weiteren Entscheid mit Signalwirkung in Sachen Unterhalt gefällt. Neu haben Mütter – in der Regel der betreuende Elternteil – nicht mehr automatisch Anrecht darauf, ihren persönlichen Unterhalt nach der Scheidung finanziert zu bekommen. Es gilt vielmehr die finanzielle Eigenverantwortung.

Das Bundesgericht verschärft somit seine Praxis erneut – und definiert damit die Ehe neu. Das Ende einer Ehe ist traurig genug, und damit es kein böses Erwachen wegen des Unterhalts gibt, bleiben beide besser von Anfang an finanziell eigenständig, denn den Lebensstandard bei einer Scheidung weiterführen zu können, gilt nicht mehr. Es ist nicht das erste Mal, dass das Bundesgericht im Familienrecht einen Pflock einschlägt, im Gegenteil. Der jüngste Entscheid reiht sich ein in eine Serie von Urteilen aus Lausanne, die alle etwas gemeinsam haben: Sie setzen konsequent die Gleichberechtigung um, indem sie jahrzehntelang geltende Gewissheiten auf den Kopf stellen und Regeln kippen, die schweizweit bei Tausenden Scheidungen Anwendung fanden.

Traditionelle Rollenverteilung gemäss Bundesgericht «unzeitgemäss»
Das klingt fortschrittlich und einleuchtend, bloss: Gemäss Bundesamt für Statistik teilen sich in der Schweiz nicht einmal 10 Prozent der Paare mit Kindern Haushalt und Job hälftig. Es dominiert das Modell: Er arbeitet Vollzeit, sie Teilzeit. Die Erwerbsquote der Schweizer Frauen beträgt zwar 80 Prozent, aber die Zahl relativiert sich angesichts der oft tiefen Teilzeit-Pensen. Und sie täuscht auch über die Tatsache hinweg, dass es nach wie vor in den allermeisten Fällen die Frauen sind, die der Familie zuliebe beruflich zurückstecken – und die Männer gleichzeitig die finanzielle Verantwortung für die Familie meist allein tragen.

Bundesgerichtspraxis
Bereits im Februar 2021 zog das Bundesgericht die Schraube in Sachen Unterhaltszahlungen an: Es hob damals die 45er-Regel auf. Sie besagte, dass einer Frau, die älter ist als 45 und sich während der Ehe ausschliesslich um Haushalt und Familie kümmerte, nach der Scheidung nicht mehr zugemutet werden kann, einen Job anzunehmen und sich das eigene Auskommen zu verdienen. Heute gilt, was das Bundesgericht in seinem neuesten Urteil festhält: Ab dem Moment, in dem sich eine Trennung abzeichne, sei jeder und jede für sich verantwortlich und stehe damit in der Pflicht, selbst für seinen oder ihren Unterhalt zu sorgen. Die Lausanner Richter anerkennen zwar, dass die «wirtschaftliche Wiedereingliederung der Ehefrau» durch die verbleibenden Betreuungspflichten erschwert werden könne. Trotzdem reiche das nicht aus, um Anspruch auf Unterhalt zu haben.